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Helden

Mit: Samuel Flach, Valdir Ferreira Mendes, Alexander Wagner
Regie: Ulrike Möckel, Produktion + Co-Regie: Micaela Czisch, Fotos: Maximilian Vollendorf

Wir danken sehr herzlich für die Förderung des Inklusionsfonds/ Sozialreferat München und dem BA 12

Am 19. und 25. April um 11 Uhr im Gasteig, HP8, Geeignet für die Schulklassen 7. bis 10. und Erwachsene, Eintritt 8 €, ermäßigt 5 €

Am 23.4. um 19 Uhr im Lihotzky in der Fritz-Winter-Straße 10, am 11.5. um 18:30 Uhr im Pelkovenschlössl, Eintritt frei - Spenden erwünscht

Kontakt: Micaela Czisch, m.czisch@zirkelev.de, 089 12 59 51 64

INHALT:

Die Heldenreise ist immer auch ein Bild für die Reise ins eigene Selbst; für eine Reise hinab in unseren tieferen Wesenskern, zu unseren wahren Bedürfnissen, Visionen und Werten. Das ist der eigentliche Schatz, um dessen Bergung es auf der Reise geht; den wir zurückbringen, um ihn im Alltag zu entfalten. (A. Wagner)

Der junge Held Jason bricht zu einer abenteuerlichen Reise auf. Er will das sagenumwobene goldene Vlies finden. Seine Heldenreise führt uns durch unbekannte Welten voller fremder Völker und unheimlicher Wesen. Jason meistert die Herausforderungen auf besondere Art: nicht durch körperliche Superkräfte, sondern durch sein Talent, Freunde zu gewinnen und Bündnisse zu schmieden.

Drei Erzähler lassen den antiken Mythos neu entstehen. Sie spielen zahlreiche Instrumente und verwandeln sich in unterschiedlichste Rollen. Mit ihrem “Magischen Wagen” entfalten sie immer neue Schauplätze: Schiff, Palast oder Kampfarena. Ihre Heldenreise ist zugleich eine Forschungsreise ins eigene Selbst. Persönliche Erfahrungen der Spieler fließen ein; Samuels Querschnittslähmung oder Valdirs Sehnsucht nach der verlorenen Heimat. Wie werden wir selbst mit den Herausforderungen unseres Lebens fertig? Was ist für uns heute ein Held? Gemeinsam mit dem Publikum suchen die Erzähler nach Antworten.  

Für Schulklassen bieten wir vertiefende Workshops an.

Vielen Dank an alle Unterstützer: Kulturreferat, Sozialreferat und Referat für Gesundheit und Umwelt der Landeshauptstadt München, Soziale Stadt Giesing, Alfred Ludwig – Stiftung und alle Berater, Freunde und Ideengeber!

PDF HELDEN-Plakat

PDF HELDEN in der Süddeutschen Zeitung

PDF HELDEN in BISS

Samuel Flach, Pressebericht von Mariam Chollet:

16. August 2016, 10:49 Uhr, Wohngemeinschaft, Sueddeutsche Zeitung

WOHNGEMEINSCHAFT GEMEINSAM LEBEN, EINANDER HELFEN

Der 25-jährige Samuel Flach plant ein besonderes Projekt: Bei “Gemeinwohlwohnen” sollen Flüchtlinge, Menschen mit Behinderung und Studierende in einer WG wohnen und voneinander profitieren.

Von Mariam Chollet

Samuel Flach liegt in seinem Bett. Er starrt die Decke an. Er schaut auf die Uhr. Eigentlich müsste sein Assistent schon längst da sein. Er fischt nach seinem Handy. Akku leer. Alleine aufstehen kann er nicht. Samuel ist querschnittsgelähmt. “So eine Situation ist scheiße, so richtig, richtig scheiße. Alltag ist das nicht, aber es kann passieren, zum Beispiel wenn mein Assistent in der U-Bahn feststeckt.”

Samuel lebt in einer Wohngemeinschaft mit einer Mitbewohnerin, die ihm hilft und bei ihm angestellt ist. Eigentlich ein super Prinzip, aber wenn einer mal länger weg bleiben will oder seine Mitbewohnerin mal nicht da ist, ist es schwierig. Deswegen kam Samuel auf die Idee, dass es besser wäre, mit mehr Menschen zusammenzuwohnen.

Als er dann auch noch zufällig auf Alejandro Hünich traf, der sich in einem Projekt engagiert, in dem Flüchtlinge und Studierende gemeinsam leben, entstand die Idee zu einem ganz besonderen Wohnprojekt: Gemeinwohlwohnen, ein Projekt, in dem Flüchtlinge, Menschen mit Behinderung und Studierende zusammenleben sollen. “Alle Mitbewohner und Mitbewohnerinnen, ob mit oder ohne Behinderung, könnten von dem Wohnkonzept profitieren und selbstbestimmter leben”, sagt Samuel. Von dieser Idee ist er überzeugt.

Samuel sitzt seit seinem 20. Geburtstag im Rollstuhl. Jetzt ist er 25. Damals hatte er ein Jahr Zivildienst in Uganda gemacht und fuhr zum Abschluss und zur Feier seines 20. Geburtstages nach Sansibar, einer kleinen Insel vor Tansania. Direkt nach der Ankunft rannte er über den Strand und machte einen Hechtsprung ins Meer. Dabei stieß er mit dem Kopf vermutlich gegen eine Sandbank. Ein Halswirbel zersplitterte.

“Ich würde sagen, es war ziemlich knapp”, sagt Samuel. “Ich war ja bei Bewusstsein, aber ich kam halt nicht raus und hatte auch nicht mehr viel Luft.” Aber Einheimische am Strand sahen ihn, zogen ihn sofort aus dem Wasser und holten Leute von der ansässigen Tauchschule. Mit Plastikflaschen wurde sein Kopf stabilisiert, damit nicht noch mehr kaputt gehen konnte. Er musste schleunigst operiert werden, so viel stand fest. Aber es gab keinen Hubschrauber auf der Insel.

Letztendlich organisierte und bezahlte ein tansanischer Manager einen Safari-Hubschrauber, der Samuel nach Daressalam flog. Dort wurde er untersucht und weiter nach Nairobi gebracht, wo er operiert werden konnte. Nach zehn Tagen kam Samuel nach Deutschland in die Unfallklinik in Murnau, wo er ein halbes Jahr verbrachte.

Seine Stimme ist leiser geworden, während er über seinen Unfall redet. Aber genauso fest. “Ich habe das schon so oft erzählt”, sagt er. “Immer wieder fragen mich Leute mit mitleidigem Blick, was mir denn passiert sei. Die können sich einfach nicht vorstellen, dass der Rollstuhl für mich inzwischen Alltag ist.” Er sitzt in seiner Küche am Tisch. Bunt kariertes Hemd, Haare zurückgebunden. “Klar war das ein Bruch in meinem Leben”, sagt er, überlegt kurz und widerspricht sich dann: “Nein: Mein Leben ist mein Leben.”

Nach dem Aufenthalt in der Klinik in Murnau war er wiederholt in einer Reha in Pforzheim. Sie versprachen viel. Sogar, dass Querschnittsgelähmte wieder laufen könnten. Bei ihm passierte das nicht. Nach fast einem Jahr Reha beschloss er zu studieren: “Ich wollte nicht länger mein Leben damit verbringen, nach einem Ziel zu streben, dass ich vermutlich nie erreichen würde”, sagt er. “Es ist jetzt einfach so. Ich sitze im Rollstuhl. Mittlerweile ist das normal geworden.”

Er wohnt seit vier Jahren in München, hat gerade seinen Bachelor in Ethnologie gemacht. Jetzt hat er sich für einen Bachelorstudiengang Statistik angemeldet. Um ganz was anderes auszuprobieren, wie er sagt. Er engagiert sich viel, macht bei einem inklusiven Theaterprojekt an Mittelschulen mit und ist aktiv in dem Verein für Jugendaustausch, mit dem er selbst in Uganda war. Außerdem reist und schreibt er viel. Aber auch sein Projekt Gemeinwohlwohnen nimmt ziemlich viel Zeit in Anspruch. Allein zwei bis drei Tage pro Woche beschäftigt er sich ausschließlich mit dieser Idee.

EINE WIN-WIN-SITUATION FÜR BEIDE SEITEN

Seit Anfang 2016 arbeiten er und Alejandro an dem Konzept. Kernidee ist, dass Menschen mit Behinderung ihre Mitbewohner anstellen und mit ihrem Pflegegeld bezahlen. Dadurch haben Studierende und Flüchtlinge, die Arbeit suchen, die Möglichkeit, auf Minijob-Basis zu arbeiten. Außerdem können Flüchtlinge durch das Zusammenleben leichter Deutsch lernen – und durch eine Wohngemeinschaft werden die Mieten günstiger. Es ist ein Vorhaben, das für alle Vorteile schafft. Aber auch Bildungsarbeit soll es leisten und die dort gelebten Werte wie Toleranz und Inklusive sowie die Idee an sich an die Öffentlichkeit tragen. Daher hätten sie auch gerne einen Gemeinschaftsraum. Manchmal träumen sie sogar von einem Café.

Mittlerweile ist das Projekt gewachsen. Gemeinsam mit den Mitgliedern eines schon bestehenden Wohnprojekts haben Samuel und einige Freunde den Verein Zusammen-Leben gegründet. Dieser dient als Trägerorganisation. Jetzt suchen sie nach einer Wohnung, die groß genug für etwa acht Leute ist, halbwegs zentral liegt und dann gemeinsam barrierefrei umgebaut werden soll. Alle städtischen Ämter, mit denen Samuel gesprochen hat, seien begeistert von der Idee, sagte er, haben aber kein Haus zur Verfügung.

Die Suche nach geeigneten Unterstützern ist nicht einfach: “Wir passen in keine Schublade”, sagt er. Die meisten Wohnprojekte mit Behinderten managen große Trägerorganisationen. Außerdem kommt die Hilfe meist von außen. Dass das Projekt autonom ist, ist Samuel sehr wichtig. Es geht nicht um Hilfe, sondern darum, selbstbestimmt und gleichberechtigt zusammenzuwohnen. Auch wenn das schwierig ist, wenn Geld und Wohnung fehlen.

Probleme könnte es natürlich auch beim späteren Zusammenleben geben. “Aber es ist ein Projekt, das von den Problemen leben wird”, sagt Samuel, “man kann das nicht vorher planen. Es kann schiefgehen, aber es ist halt ein Prozess.”

Während Samuel erzählt, gestikuliert er viel.

Seine Hände zeigen alles Mögliche in der Luft. Samuel kann begeistern. Natürlich hat sich sein Leben verändert. Aber natürlich ist er immer noch derselbe Mensch, der dieselbe Begeisterung und dieselbe Organisationskraft ausstrahlt. Und auch seine Zukunftspläne haben sich nicht wirklich geändert. In Uganda hat er eine Liste mit Zukunftsideen angefangen. Und als er diese nach dem Unfall wieder durchgegangen ist, hat er gemerkt, dass er nichts streichen muss. “Das ‘wie’ verändert sich natürlich, aber es ist trotzdem möglich.”

So reist er trotzdem ständig durch die Gegend, denn “Reisen und Schreiben wird mich mein Leben lang begleiten”, sagt er. Also verbrachte er ein Semester in Kuba, machte eine Reise nach Indien und jetzt plant er schon seinen nächsten Trip. Zurück nach Uganda und Sansibar. Vor allem seine Freunde aus Uganda will er wiedersehen und sich sogar überlegen, dort vielleicht später mal eine Feldforschung zu machen.

Auch in Sansibar will er an denselben Ort zurück. Will seine Retter von damals wiedertreffen. Will vielleicht sogar mit ihnen tauchen gehen. Denn das haben sie ihm damals versprochen: Es ist alles möglich, was sich ändert, ist nur das ‘wie’.